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Wochenbetreuung

Kapitel 11 - Konferenz um Lisa


 


Aaron hatte kaum eine Seite gelesen, da war Lisa schon fest eingeschlafen. So bereitete er sich bei einer Tasse Kaffe innerlich auf das nun folgende Gespräch vor. Dann ging er entschlossen zu Stammanns Büro und klopfte. Der Doktor saß schon mit Hans zusammen. Beide sahen Aaron erwartungsvoll an.

"Dann wollen wir mal," sagte Stammann und nahm die Akte Lisa, die vor ihm bereit lag, auf. "Was gibt es zu berichten, Aaron?" Aaron kam direkt zur Sache und nannte das Problem beim Namen. Er legte seinen Standpunkt dar, ohne zu emotional zu werden. Hans und Dr. Stammann hörten ihm aufmerksam zu. Dem Doktor war ebenfalls aufgefallen, das Lisa verändert war. Er gab zu bedenken, wobei er Hans ansah, dass die Mädchen sehr wohl folgen sollen, dass Gehorsam ein Hauptziel dieses Institutes sei, dass aber der Charakter der Mädchen ausschlaggebend für das Procedere und somit auch für den Erfolg sei. Man dürfe die positiven Eigenschaften keinesfalls gefährden, um gewaltsam das Ziel Gehorsamkeit zu erreichen.

Hans sah sehr ernst aus. Er hatte Lisa tatsächlich falsch eingeschätzt, aber auch eine Reihe äußerer Umstände waren schuld, an der unerquicklichen Situation. Hans wirkte erschöpft. Das hatte er nicht gewollt, das hatte er auch nicht absehen können. Sicher, er hatte Lisa versohlt, und sie hatte auch nicht gerade wenig bekommen. Jedoch war er der Meinung gewesen, dass Lisa sogar weniger fest als die anderen Mädchen versohlt hätte. Er habe sie zum Beispiel draußen im Garten als erste übergelegt, da sie da noch warm vom Umhertollen gewesen sei, so dass die Schläge nicht den empfindlicheren kalten Po träfen.

Gut, das Streichen der Geschichten und des Nachtisches war vielleicht übertrieben, aber er habe ein Druckmittel gebraucht, da es am Wochenende sehr turbulent gewesen sei und er die Mädchen in Schach halten musste, und was man androhe, das müsse man selbstverständlich halten. Zudem habe er die Brisanz der Lage unterschätzt. Das mit dem Einölen war nun wirklich ärgerlich, denn er wollte es tun. Lisa habe sich jedoch nicht mehr von ihm anfassen lassen. Später war dann eine Notaufnahme dazu gekommen, die auch noch einen Einsatz in der Erziehung forderte. Es war Maike, das eine Zwillingsmädchen, das Lisa schon vom ersten Mal kannte. Ihr Vater musste plötzlich dienstlich verreisen, Alexandra durfte das erste mal alleine Zuhause bleiben. Aber um Maike war es ja anders bestellt. Ja, und dann war es zu spät zum Eincremen gewesen.

Man kam überein, dass Hans sich möglichst nicht entschuldigen sollte und Aaron versuchen würde, mit dem strengen Erzieher nach außen hin eine Einheit zu bilden. Damit sollte ein Autoritätsverlust vermieden werden. Jedoch sollte es Hans sein, der bei nächster Gelegenheit bei Lisa einlenken sollte, um den eingetretenen Vertauensbruch zu kitten.

Alle waren froh, dass das Gespräch auf eine Einigung hinauslief. Aaron kehrte in Lisas Zimmer zurück, um sie vom Mittagschlaf zu wecken. Er fasste wie immer an ihre Stirn und erschrak. Was war sie heiß! Umgehend nahm er ein Thermometer zur Hand und maß der verdutzten Lisa die Temperatur. "39,7, Lisa, du hast ja Fieber, du musst im Bett bleiben." Er deckte sie wieder zu und ging sofort zurück ins Büro, wo telefonisch ein Arzt bestellt wurde. Aaron sorgte unterdes für Getränk am Krankenbett. Möglichst niemand sollte überflüssigerweise das Zimmer betreten, denn eine Ansteckung der gesamten Belegschaft hätte verheerende Folgen. Der Arzt traf ein und stellte einen schweren grippalen Infekt fest, mit zugegeben sehr hohem Fieber, aber durchaus nichts Bedrohliches. Er hinterließ einige Medikamente, wünschte gute Besserung und verschwand.

Hans atmete auf. Das wird sicher schon in Lisa gesteckt und sich in Form von Abgeschlagenheit geäußert haben. Er selbst erfuhr dadurch eine gewisse Entlastung. Allerdings nicht sehr lange, dann schon bald machten ihm heftige Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit zu schaffen. In diesem Zustand konnte er unmöglich seinen Dienst verantwortungsbewusst erfüllen. Hans lag wie Lisa danieder.

Aaron übernahm die Pflege Lisas, und hatte das Gefühl, so etwas wieder gut machen zu können. Lisa erholte sich recht schnell. Am Abend konnte sie kurz aufstehen und Gabriel anrufen, der allerdings bereits unterrichtet worden war. Nun atmete er auf, dass es nicht so schlimm war. Lisa war sehr matt und schlief die meiste Zeit. Auch den nächsten Tag verbrachte sie hauptsächlich im Schlummer.

Erst gegen 16.00 aber erwachte sie. Aaron stellte sofort fest, dass Lisas Blick wieder klarer war. Sie rappelte sich hoch und verlangte nach ihrem Dessert, das in der Küche für sie zurückgestellt worden war. Aaron lachte. "Das ist nun schon in die ewigen Jagdgründe eingegangen, aber keine Angst, wir organisieren dir schon etwas." Er ging in die Küche und richtete sich gedanklich auf ein Gefecht mit Herrn Reisig ein. Der aber nahm die Bitte um ein neues Dessert mit der ihm eigenen mürrischen Ergebenheit entgegen, und nach einer Stunde stand eine große Schüssel an Lisas Bett.

Am nächsten Morgen begann Lisa zu quengeln, sie wolle in die Sonne hinaus. Aaron nahm es als ein gutes Zeichen und machte mit der warm eingepackten Lisa einen vorsichtigen Spaziergang in den Park. Die frische Luft weckte die Lebensgeister wieder. Lisa war über den Berg.