© Lilli
Wochenbetreuung

Kapitel 1 - Die Ankunft


 


Als Lisa an der Hand Gabriels den hellen Flur betrat war es ihr recht mulmig. Er ähnelte einem Krankenhausflur. Lichtdurchflutet erstreckte er sich, von vielen Türen rechts und links unterbrochen, bis er in einem Balkon endete. An den Türen waren Holzschilder befestigt, deren schwungvolle bunte Beschriftung den Betrachter über den Raum informierte, welcher sich dahinter verbarg. Bibliothek oder Ruheraum stand dort z.B. Aber Lisas scharfe Augen entdeckten auch ein Schild mit der Aufschrift Erziehung.

Letzte Woche hatte Gabriel ihr eröffnet, dass er fand, sie bräuchten Hilfe. Er allein würde mit Lisa nicht mehr fertig, und er könne ja nicht alle Erziehungsdefizite, die aus dem Versäumnis ihrer Eltern her rührten und sich an dem hartnäckigen Charakter Lisas noch verschärften, auffangen. Gabriel war nicht böse auf sie, nicht mal etwas verärgert. Nein, aber es musste was passieren, war seine Meinung. Lisas Betteln und Bitten hatten nichts genützt. Auch ihre Tobsuchtsanfälle, derer es drei gegeben hatte in den letzten Tagen, blieben ohne Wirkung. Sie würde für eine Woche zur Betreuung gegeben werden, wie Gabriel es nannte. Er hatte sich klug gemacht und sie vor vollendete Tatsachen gestellt. An diesem Sonnabend sollten sie sich früh um acht in der Wochenbetreuung melden und nach Dr. Stammann fragen.

Gabriel hatte Lisa fest an der Hand, war er sich doch nicht sicher, ob sie nicht zu Kurzschlussreaktionen neigen würde und versuchen, davonzulaufen. In der Tat hätte Lisa es gerne getan. Allerdings war ihr klar, dass sie so nicht durchkommen würde. Und da war noch etwas. Lisa wusste, dass sie es zu arg getrieben hatte in der letzten Zeit.

Gabriel ging schnurstracks auf eine Tür auf der rechten Seite zu und klopfte. Lisa wusste, dass er sich den Laden schon einmal angeschaut hatte. "Ja bitte", erscholl es von innen, und sie traten ein. "Guten Tag, bitte setzten Sie sich. Ich habe schon Sie erwartet", Dr. Stammann hatte sich aus seinem Ledersessel hinter den Schreibtisch erhoben und deutete nun mit der Hand auf den einzigen Stuhl vor sich. Gabriel setzte sich, und ohne zu zögern zog er Lisa auf seinen Schoß, denn es war ja für sie kein Stuhl da.

Dr. Stammann lächelt leicht und fragte nach dem Buch. Lisa stockte der Atem, denn sie ahnte um was für eines es sich handelte. Und tatsächlich zog Gabriel das in rotes Leder eingefasste kleine Büchlein aus der Jackentasche. Hier hinein schrieb er in letzter Zeit immer, wenn Lisa sich nicht so benommen hatte, wie er es für gut befand. Das Buch wechselte in die Hände des etwa 45 jährigen Mannes, der es sogleich aufschlug und stirnrunzelnd zu lesen begann.

"Ja, da ist ja seit letzter Woche noch so einiges zugekommen", murmelte er. Dann musterte er Lisa und fragte: "Du weißt warum du hier bist?" Lisa fiel auf, dass er sie duzte. Sie drückte sich tiefer in den Schoß Gabriels und suchte das Gesicht an seiner Schulter zu verbergen. "Na, was ist, willst du nicht antworten?" Gabriel gab ihr einen kleinen Schubs. "Steh bitte mal auf und komm zu mir herüber", sagte Herr Stammann nicht unfreundlich aber doch bestimmt. Lisa stand auf und trat neben seinen Stuhl. Er schlug eine Seite des Buches auf und las laut:
"Lisa hat trotz Aufforderung nicht ihren Schreibtisch aufgeräumt. Maßnahmen: Standpauke, Povoll, Ecke. Wirkung: keine.
Nun frage ich dich, Lisa, warum hast du nicht gefolgt?"
Lisa stand da und knetete ihre Hände, die Lippen waren in Bewegung, aber es kam nichts heraus. Auch ein hilfesuchender Blick zu Gabriel rettete die Situation nicht. "Also! Ich warte!" Lisa senkte den Blick.

"Lisa, so geht das hier aber nicht. Wenn du gefragt wirst, hast du zu antworten. Das ist eine Regel hier, und du wirst sie befolgen. Ich sehe schon, dass wir so einiges bei dir aufholen müssen!" Die Stimme klang inzwischen streng. "Weißt du was du bist?" Er hob Lisas Kinn mit der einen Hand hoch und wedelte mit dem Büchlein. "Du bist ungezogen und bockig! Das wollen wir in der Woche, die du bei uns bist beheben. Du bekommst einen Betreuer zugewiesen, der für dich da sein wird. Abends darfst du unter Aufsicht ein Telefonat führen und eines empfangen. Besuch gibt es nicht! Nächsten Sonnabend um diese Zeit wirst du wieder abgeholt..., wenn du dich gebessert hast! Nun darf dein Freund dich in dein Zimmer bringen, und dann wirst du dich von ihm verabschieden. Hast du das verstanden?" Lisa sah ein, dass alle Auflehnung zwecklos war. Sie hatte gehofft, dass Gabriel nun doch Einwände hatte. Schon wegen des Besuchsverbotes, aber er schien damit einverstanden. Lisa nickte nur und stand wie ein begossener Pudel da. Gabriel nahm wieder ihre Hand, verabschiedete sich von Dr. Stammann und begleitete Lisa in das ihr zugewiesene Zimmer.

Es war hübsch eingerichtet, hatte helle Wände ein kuscheliges Bett mit zahlreichen Kissen, einen Schreibtisch mit Stuhl, einen Schrank und ein kleines Sofa.
Lisa warf sich auf ihr Bett und weinte. Eine Stunde zog ins Land. Damit war man in dieser Einrichtung vertraut, weshalb man ihr die Zeit ließ. Dann öffnete sich ohne Klopfen die Tür und ein Bär von einem Mann erschien. Er ließ sich wortlos auf der Bettkante nieder, streichelte Lisas Rücken und begann:

"Du bist Lisa, nicht? Ich heiße Aaron und werde mich um dich kümmern, solange du hier bist. Du sollst wissen, dass ich sehr viel Verständnis für dich habe, auch wenn es dir vielleicht oft nicht so vorkommt. Nun? Möchtest du schon etwas fragen?" "Ja!" Staunend richtete sich Lisa auf. "Wie groß bist du eigentlich?" Aaron lachte schallend. "Einen Meter und eins! So nun aber hoch. Wir haben noch etwas vor! Du hast wohl Herrn Stammann nicht geantwortet. Kann das sein? Darauf besteht er aber. Das musst du auf jeden Fall nachholen. Wenn ich du wäre, dann würde ich es lieber sofort tun!"

"Ich will aber nicht!" Aaron seufzte, mit diesem Mädchen würde er noch ein großes Stück Arbeit vor sich haben! "Nun, dann räume erst mal deine Tasche aus. Ich komme in 15 Minuten und hole dich. Er verließ das Zimmer. Als er nach einer Viertelstunde wieder kam, stand Lisa am Fenster und sah in die goldene Herbstsonne. "Lisa!" Sie rührte sich nicht. Aaron wollte gleich zu Beginn klar machen, dass er keinen Ungehorsam duldete. Mit mächtigen Schritten durchquerte er den Raum, fasste Lisas Arm und trieb sie mit Klapsen auf ihren festen Popo durch das Zimmer auf den Kleiderschrank zu. "Einräumen!" Als Lisa nicht schnell genug reagierte, setzte es eine Serie von Klapsen hinten drauf.

Schnell griff sie nach der Tasche und leerte ihren Inhalt flugs in den Schrank. Es folgte noch eine Klaps-Serie wegen der Unordentlichkeit und eine weitere wegen des Meckerns darüber, bevor Aaron mit Lisa an der Hand an das Zimmer von Herrn Stammann klopfte. Sie wurde gleich hereingerufen, wo Aaron Lisa unverzüglich vor den Stuhl des Doktors manövrierte. Der sah Lisa an und fragte Aaron erstaunt: "Was, jetzt schon?", als er gewahr wurde, dass das Mädchen geweint hatte und heimlich den Popo rieb. Nahezu unmerklich nickte Aaron. Ja, es war selten, das es schon nach so kurzer Zeit einen Popovoll setzte. Er blickte wieder auf Lisa. "Na, Lisa, ich warte noch auf eine Antwort von dir! Du weiß die Frage? Warum du nicht gefolgt hast, wolltest du mir sagen und ich frage dich, ob du dich in letzter Zeit gut benommen hast? " "Nicht so gut", stammelt Lisa.

Dr. Stammann fuhr aus seinem Stuhl empor. "NICHT SO GUT?", donnerte er. "NICHT SO GUT?--- Absolut un-mög-lich, un-artig, un-ge-zo-gen, un-ver-schämt!" Bei jeder Silbe schlug er seine Hand auf die Tischplatte. Erschrocken wich Lisa einen Schritt zurück und prallte gegen Aaron, der sie hielt. "So, nun will ich wissen, wie du dich benommen hast, Lisa, und zwar aus deinem Munde!" Stammann blickte streng auf die verschreckte Lisa. "Nicht so... ähm, also, na ja, unartig." Platsch, wurde das Wort durch einen Klaps von Aaron auf ihren Popo bestätigt. "Weiter!" "Und... ungezogen..." Peng, der zweite Hieb traf und brannte. Lisa war nun schon ziemlich jämmerlich zumute. "Weiter!", wurde sie scharf aufgefordert, aber sie konnte sich an die anderen Worte nicht mehr erinnern, senkte den Kopf und hob die Schultern. Stammann griff nach Lisas Arm, drehte sie herum. Aaron nahm ihre Hände drückte ihren Oberkörper herunter. Die Kehrseite Lisas präsentierte sich dem Doktor nun sehr einladend. Und der wartete nicht lange, sondern patschte ihr die Silben der fehlenden Wörter kräftig auf den Popo. "So, und genau das wollen wir dir abgewöhnen! In einer Stunde habe ich das Ganze von dir in schriftlicher Form vorliegen, ist das klar?" Lisa stammelt ein "Ja". Dann nahm Aaron sie wieder an der Hand und führte sie hinaus.

Allmählich dämmerte es der jungen Frau, was diese Woche wohl noch auf sie zukommen würde.Warum nur, fragte sie sich, war sie so frech zu Gabriel gewesen...