© Lilli
Der Spiegel

 

Der Stapel Papier auf seinem Schreibtisch verhieß das Unausweichliche. Er würde die Klausuren zurück geben. Normalerweise fing er mit den schlechtesten an. Als er Tatjana ihre Arbeit auf den Tisch warf und nichts sagte, sie daraufhin in sich zusammensank, wurde meine Vermutung bestätigt. Bange wartete ich darauf, an der Reihe zu sein. Aber er umrundete mich nur auf seiner Tour durch den Seminarraum. Dann endlich, ganz zuletzt, kam er zu mir, legte mir meine Arbeit vor und sagte leise: "Es scheint, dass wir ein geeignetes Mittel gefunden haben, damit du leistungsorientiert arbeitest." Ich schaute auf das Deckblatt: 14 Punkte! Das ist ja eine glatte Eins! Mein Gesicht wusste nicht, ob es bleich werden oder rot anlaufen sollte. Es entschied sich für einen masernähnlichen Mischmasch, auch hektische Flecken genannt. Gerne wäre ich sofort gegangen, aber nun ging es erst richtig los. In der Klausurbesprechung musste ich immer wieder Abschnitte laut vorlesen. Der Professor lächelte mich an, und ich wusste gar nicht, wie ich zu mir kommen sollte. Als das Seminar zuende war, atmete ich auf.
Eigentlich gingen wir nach diesem Seminar immer zusammen in die Mensa, einige Kommilitonen und ich. Aber heute musste ich schnell weg, keine Zeit, ich wollte es gleich David erzählen. Ich wollte ihn in der Firma aufsuchen. Als ich die Tür zur Firma öffnete, waren nur der Chef und die Sekretärin im Vorraum. Mir fiel ein, was für einen Eindruck ich machen musste, ich war den ganzen Weg gelaufen und entsprechend erhitzt. Mein Haar war wild durchgepustet. Aber zu spät. Beide sahen mich an und lächelten. Ich legte meine Klausur auf die Theke und keuchte: "Ist David da?" "Er ist in einer Besprechung, müßte aber jeden Moment kommen," Kramer lächelte. Er schaute auf die Klausur und sagte freundlich: " Das ist ja eine tolle Leistung! Das muß man auch gleich zeigen." Da öffnete sich die Tür und David kam mit drei anderen Kollegen in den Vorraum. Er schaute mich überrascht an. "Hallo, was machst denn du hier?" Herr Kramer hielt David meine Arbeit hin. "Na, wenn das kein Grund ist!" David nahm sie, sagte lächelnd: "Das ist ja super. Aber ich muß leider jetzt zu einem Kunden. Wir sehen uns heute abend, ja?" Einen Kuß, dann rauschte er mit seinen Leuten ab. "Das ist ja schade, wollen Sie einen Kaffee?" fragte mich Herr Kramer, aber ich wollte nicht und machte mich auf den Weg. So ein Blödmann! Seinetwegen hatte ich auch nichts zu essen gehabt und nun das. Als ich runter kam, sah ich sein Auto am Straßenrand stehen. Sie waren also mit einem anderen Wagen gefahren. Wütend ging ich hin und schlug meinen Rucksack gegen die Tür. Der Außenspiegel quittierte das mit einer eindeutigen Schieflage und einem deutlichen Sprung. Schnell machte ich mich von dannen. Zuhause nahm ich erstmal ein Bad und las die Tageszeitung. David würde erst frühestens in einer Stunde kommen. Hoffentlich dachte er, jemand wäre gegen das Auto gefahren oder etwas Ähnliches. Es war ja ein Dienstwagen, also für ihn nicht so ärgerlich.


Der Schlüssel klapperte. David kam herein. Er hatte Blumen gekauft, gab sie mir aber nicht. "Du, Nathalie, mein rechter Außenspiegel ist kaputt. Weißt du was davon?" David sah mich forschend an. Shit, ich konnte seinem Blick nicht standhalten, und er hörte die Nachtigal trappsen. Warum nur hatte ich kein Pokerface. Schon oft war mir das zum Verhängnis geworden. Mit drei Schritten war er bei mir und hielt mich an den Schultern fest. "Nathalie!" Ich wollte dem Blick ausweichen, aber er ließ es nicht zu. "Hast du das gemacht?" Ich wand mich und war froh, dass es klingelte. David blickte mich noch einmal durchdringend an und ging öffnen. Ich hörte im Flur mehrere Stimmen, auch die von Herrn Kramer. Es kamen zwei Männer herein, einer war ein junger, neuer Kollege von David. Herr Kramer wandte sich an David. "Es tut mir leid Ihnen mitteilen zu müssen, dass Herr Neuhaus aus dem Fenster gesehen hat, wie Ihre Freundin mit einer Tasche den Spiegel Ihres Dienstwagens zerschmettert hat." David schnappte nach Luft, der junge Kollege wirkte unsicher und Herr Kramer sehr ernst. Nun war es also raus. Ich sah zu Boden und wäre am liebsten verschwunden. David wusste offensichtlich nicht, wie er sich verhalten sollte. Da wandte sich Kramer zu mir: "Was haben Sie sich nur dabei gedacht? Aus Wut über den Termin einfach das Auto zu beschädigen!! Ich bin empört. Das hätte ich nicht gedacht. Aber, wenn Sie meine Freundin wären, dann wüßte ich schon, was ich machen würde! Dann würde es einen Povoll geben, der sich gewaschen hat." Der junge Kollege grinste etwas und David straffte sich plötzlich. "Und genau das, Herr Kramer, wird auch passieren... Nathalie, komm hierher!" David setzte sich auf den nächstgelegenen Stuhl. "Komm sofort hierher!" Ich rührte mich nicht, starr vor Schreck. "Es war doch ein Versehen," wagte ich einen Einwand. "Ein Versehen!" Kramer lachte verächtlich auf, kam zu mir, faßte meinen Arm und zog mich zu David. "So! Überlegen!" befahlt er nun. "Das ist das einzig angebrachte Mittel dafür!" Im Nu lag ich über Davids Schoß und die beiden Herren machten keine Anstalten zu gehen. David fehlte mit einem Mal alle Unsicherheit. Nicht nur dass er mich über seinem Knie festhielt- mit der anderen Hand fummelte er meine Hose herunter, so dass ich mit nacktem Popo über seinem Knie lag. Vor seinem Chef und dem Kollegen! "Nein," schrie ich. "Das kannst du nicht machen!" "Das wirst du gleich sehen," Davids Stimme klang wirklich streng. Dann ging es los. Klatsch- Klatsch..."Warum hast du den Spiegel kaputt gemacht?" Klatsch- Klatsch "Ich war so wütend, aber ich wollte nichts kaputt machen," gab ich kleinlaut an. Klatsch- Klatsch, Klatsch- Klatsch, Klatsch- Klatsch. David haute fest hinten drauf. "Sollst du solche Wutanfälle haben?" Klatsch- Klatsch "Sollst du dich so benehmen?" Klatsch- Klatsch -Klatsch- Klatsch "Nein, mach ich ja nicht wieder...." Ich musste schon weinen, es tat so weh und David war so wütend und diese Männer schauten zu, alles war so doof. "ICH Klatsch- Klatsch WILL Klatsch- Klatsch DASS Klatsch- Klatsch DU Klatsch- Klatsch DICH Klatsch- Klatsch BENIMMST. ICH WILL DASS DU Klatsch- Klatsch ARTIG BIST ! Klatsch- Klatsch VERSTANDEN? Klatsch- Klatsch" ---Ich brachte ein langgezogenes JA zustande. Dann wurde ich aufgestellt. Ich traute mich nicht zu reiben, denn das machte David immer noch wütender. David brachte mich eigenhändig in die Ecke. Er wandte sich seinen Kollegen zu: "Es tut mir sehr leid, was passiert ist. Ich hoffe wir können die Sache aus der Welt schaffen." Kramer räusperte sich: "Das haben Sie schon. Wir haben sowieso eine Reihe Kleinreparaturen an Dienstwagen anstehen. Ich werde das morgen mitmachen lassen. Die Strafe ist ja schon an richtiger Stelle ausgeführt worden. Auf Wiedersehen."


Als alle weg waren, ließ mich David noch eine Weile in der Ecke und ging. Dann aber holte er mich. In der Küche war gedeckt, Blumen standen auf dem Tisch, Kerzen brannten. Er hatte ein erstklassiges Essen bereitet. "Wenn das immer so ist, dann schreib lieber nicht so oft 14 Punkte," sagte er, aber er lächelte wieder.

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